Das aktuelle niedrige Zinsniveau hilft Unternehmen, Investitionen zu finanzieren. Allerdings erwarten unsere Experten, dass dies nicht immer so weitergeht und die Zinsen in naher Zukunft wieder anziehen werden. Wie Unternehmen sich darauf vorbereiten können und wieso es gerade für mittelständische Unternehmen wichtig ist, gerade jetzt ein gesteigertes Augenmerk zu haben auf diesen Sektor, erläutern im Gespräch Christian Leege und Burkhard Straub.

Quarterly: Die Zinsen sind niedrig, Unternehmensgewinne hoch. Wieso ist Banking für Unternehmen dennoch ein enorm wichtiges Thema?

Straub: In der Tat profitieren Unternehmen von niedrigen Zinsen und guten Geschäftsabschlüssen. Dadurch können Finanzierungen zum höheren Teil aus eigenen Mitteln gestemmt werden – meist jedoch unter Hinzuziehung von Fremdkapital. Zudem gehen wir davon aus, dass die Zinsen wieder anziehen werden. Spätestens in zwei Jahren wird es wieder einen spürbaren Anstieg der Zinsen geben. Gerade für stark fremdkapitalisierte Unternehmen bedeutet diese einen beträchtlich höheren Finanzierungsaufwand. Diese Unternehmen sollten sich darauf vorbereiten, da sie einen Anstieg der Zinsen von einem Prozent durch einen höheren Umsatz sonst kaum auffangen können.

Leege: Für Unternehmen ist das gut austarierte Verhältnis von Fremdkapital, Eigenkapital und kurz wie auch langfristigen Verbindlichkeiten ein grundlegendes Element ist. Dies sollte immer dem aktuellen Entwicklungsstand des jeweiligen Unternehmens entsprechen. Es gibt beim Finanzierungsbedarf und -struktur deutliche Unterschiede zwischen Unternehmen, die gerade im Expansionsmodus sind und solchen, die sich auf etablierten Märkten bewegen und wachsen.

„Spätestens in zwei Jahren wird es wieder einen spürbaren Anstieg der Zinsen geben. Gerade für stark fremdkapitalisierte Unternehmen bedeutet diese einen beträchtlich höheren Finanzierungsaufwand.“

Quarterly: Der Banking-Bereich im Unternehmen ist ein vielschichtiges Thema. Welche Bereiche fallen generell in der Praxis unter diesen Überbegriff?

Straub: Unternehmen sehen sich im Banking-Bereich mit einer ganzen Reihe von Aufgaben und Herausforderungen konfrontiert. Dies fängt schon bei dem ganz normalen Zahlungsverkehr und umfasst komplexere Themen wie Cash-Pooling, Bankgarantien, Supply-Chain-Finance, Währungs- und Zinsmanagement sowie d Absicherung von Preisrisiken bei Rohstoffen.

Leege: Gerade für Unternehmen im Projektgeschäft ist das Thema Liquidität von enormer und meist entscheidender Bedeutung. Dort gehen die Unternehmen in große Vorleistungen und müssen ihre Löhne, Material und weitere Kosten vorfinanzieren. Den Liquiditätsbedarf über eine Vielzahl von Instrumenten zu sichern ist ein Bereich, in dem wir auf eine breite Erfahrung zurückgreifen können. Zudem berücksichtigen wir die Gesamtbelastung für das Unternehmen, um sicherzustellen, dass sie aufgrund von einer ausfallenden Zahlung nicht in finanzielle Schieflage geraten.

Quarterly: Aus der Praxis gesprochen: Wo gibt es generell in Unternehmen Verbesserungsbedarf und wieso können Unternehmen diese Potenziale nicht selbstständig bergen?

Leege: Um optimale Ergebnisse zu erzielen, stellen wir den Unternehmen Ressourcen zur Verfügung und unterstützen damit aktiv die Unternehmensführung. Wir arbeiten in der Regel mit dem klassischen Mittelstand zusammen, in dem im Kernbereich der Finanzen meist sehr gute Strukturen vorhanden sind. Alle darüber hinaus gehende Situationen und Herausforderungen können jedoch meist nicht vollständig und umfassend betrachtet werden. Und genau an dieser Stelle beginnt unser Ansatz, gemeinsam mit dem Unternehmen passenden Lösungen zu finden. Dabei vereinen wir aufgrund unserer beruflichen Historie den Blick aus Unternehmens- und Bankensicht. Dieser Gesamtansatz ermöglicht uns eine SWOT-Analyse der Finanzierungsstruktur zu erstellen und bildet die Basis, das Unternehmen auf ein Kredit-Rating vorzubereiten. Damit können die zuvor erwähnten alternativen Finanzierungsquellen erschlossen werden.

Straub: Dazu kommt, dass Banken aufgrund der niedrigen Zinsen andere Einkommensquellen suchen. Eine davon sind Gebühren. Im gleichen Maße, wie die Zinsen gefallen sind, sind die Gebühren gestiegen. Sichtbar ist dies vor allem im Endkundengeschäft der Banken. Dort gibt es fast keine gebührenfreien Angebote mehr wie das kostenlose Girokonto. Im B2B-Sektor hat dieser Trend viel früher angefangen und ist wesentlich ausgeprägter. Banken stellen dabei ihre Produkte kaum vergleichbar in den Markt, bei den Gebühren und deren Vergleichbarkeit ist kaum eine Transparenz vorhanden. Um hier Potenziale zu bergen, muss man sich regelmäßig mit der Materie befassen. Daher sehen wir in der operativen Praxis unsere Aufgabe darin, Vergleichbarkeit herzustellen und Licht in den Tarifdschungel zu bringen.

Quarterly: Wie werden die Aufgaben im Banking-Bereich im Unternehmen umgesetzt?

Leege: In jedem Unternehmen gibt es strategische und operative Betrachtungen im Finance-Bereich. Im strategischen Bereich werden Fragestellungen erarbeiten, wie und mit welchen Mitteln langfristige Investitionen finanziert werden. Dies kann Zukäufe betreffen, Investitionen für den Eintritt in neue Märkte wie auch die Anschaffung von neuen Maschinen und generell die supply chain Finanzierung. Hier hilft häufig ein Blick von außen, um die möglichen Finanzierungsoptionen mit den anfallenden Kosten zu evaluieren.

Straub: Auf der operativen Ebene geht es neben dem Cash-Flow-Management auch darum, wie Prozesse und damit Kosten möglichst verschlankt und optimiert werden. Hier finden zum Beispiel immer mehr Tools Eingang, mit der die Beschaffung von Finanzierungen über die bisherigen Wege hinaus funktioniert. Die Banken beginnen wichtige Prozesse z. B. die Zahlungsabwicklung auszulagern – hierauf müssen die Unternehmen reagieren und eigene optimierte und revisionssichere Finanzprozesse implementieren, die wiederum für ein positives Kredit-Rating Voraussetzung sind.

Quarterly: Die Digitalisierung verändert nicht nur Unternehmen – sondern auch die Arbeit im Banking-Sektor. Welchen Trend sollten Unternehmen auf keinen Fall verpassen?

Leege: Auch in der Bankbranche gibt es Bewegung, die direkte Auswirkungen darauf hat, wie sich Unternehmen in Zukunft finanzieren. Ein Beispiel sind plattformgesteuerte FinTechs. Diese haben einen hochdynamischen Prozess ausgelöst. Unternehmen haben dadurch die Möglichkeit, sich wegzubewegen von einer Einbank-Strategie hin zu flexiblen Strategien mit diversen Banken und zusätzlichen Playern. Versicherungen, Drittbanken aber auch professionelle Anleger drängen immer mehr in den Finanzierungsmarkt, diese Angebote machen wir transparent und bieten optimierte Lösungen für das Unternehmen.

Straub: Durch die Dynamik im Markt haben Unternehmen größeren Spielraum, den sie nutzen können. Allerdings muss dann in den Unternehmen das Wissen und Know-how aufgebaut werden, diese neuen Möglichkeiten auch effektiv ein- und umsetzen zu können. Generell beschäftigen sich noch zu wenige Finanzverantwortliche mit dem Themenfeld Digitalisierung im Finanz- und Banking-Bereich. Von daher bieten wir Unterstützung an, um diese neuen Ansätze für die Unternehmen wertschöpfend zu implementieren.

Die Experten

Christian Leege ist ehemaliger Sparkassen-Vorstand sowie langjähriger Firmenkundenberater und kennt die Stärken und Entwicklungsfelder des Mittelstandes aus einer gemeinsamen Perspektive. Zudem hat er einen tiefen Einblick und guten Überblick über den Bankenmarkt und hilft so Unternehmen, die Angebote von Banken einzuordnen und in eine Perspektive zu setzen. In der Zusammenarbeit mit Geschäftsführern von mittelständischen Unternehmen hat er oft schnelle und pragmatische Finanzierungslösungen in messbare Erfolge umgesetzt.

Burkhard Straub hat in global tätigen Unternehmen unterschiedliche Finanz- und Risikomanagementfunktionen verantwortlich geleitet. In Finanzholdings war er für die operative Abwicklung der Finanz-, Risiko- und Zahlungsprozesse verantwortlich. Um eine optimale Finanzierungsstruktur für die Unternehmen zu implementieren, hat er häufig Bank- und Finanzierungskonsortien organisiert und damit auch optimale interne Finanzierung geschaffen.